Wolfgang Lauterbach Vermögen : Wer ist in unserer Gesellschaft wohlhabend? Ist es der Millionär, der Porsche-Fahrer oder der, der jeden Tag auswärts essen kann? Der Vermögensforscher Wolfgang Lauterbach wurde von Business Insider kontaktiert. “99 Prozent der Vermögenden in Deutschland sind Unternehmer”, behauptet ein Dozent der Universität Potsdam.
Denn: Reichtum, nicht Geld, entscheidet, wer reich ist. “Jeder will Reichtümer anhäufen”, argumentiert Lauterbach. „Vermögenswerte bieten Sicherheit und Autonomie. Sie können weitergegeben werden und helfen, sich vor Lebensbedrohungen zu schützen.“ Ein hochbezahlter Job kann im Handumdrehen gehen. Insbesondere unternehmerisches Vermögen ist langfristiger angelegt.
Ein reicher Mensch muss nicht in einem Haus leben oder eine Limousine fahren. Sie sind wohlhabend, wenn Sie von den Zinsen und Erträgen Ihres Vermögens vollständig leben können – also nicht arbeiten müssen.
Mit 35.000 Euro im Jahr sind Sie bereits reich.
Lauterbach liefert folgendes Beispiel: Jemand verdient 60.000 Euro Zinsen pro Jahr für seine Investitionen. Nach Steuern bleiben ihm 35.000 Euro zum Leben übrig. “Dieser Mensch ist reich an Freiheit, er kann tun und lassen, was er will”, erklärt Lauterbach.
Wenn es nach den Banken geht, wird diese Person jedoch nicht unbedingt wohlhabend sein. Sie definieren “High-Net-Worth-Personen” als wohlhabende Personen mit einem Nettovermögen von einer Million Dollar (940.000 Euro). Kreditinstitute halten jemanden für wohlhabend, der über so viel Geld verfügt, beispielsweise über Bargeld auf dem Konto oder eine Aktienanlage. Aber nicht, wenn das Geld zum Beispiel in Immobilien investiert wird; er wird nicht in der Lage sein, den Reichtum schnell in Geld umzuwandeln.
Die Bundesregierung hat entschieden, wer arm und wer wohlhabend ist. Als arm gelten in Deutschland Personen, die weniger als 1.000 Euro netto im Monat verdienen. Dieser Betrag entspricht 60 % des mediangewichteten Nettoeinkommens pro Kopf. Wohlhabende verdienen das Doppelte des durchschnittlich gewichteten Nettoeinkommens pro Kopf oder 3.500 Euro netto pro Monat. Darunter sind auch viele Ärzte.
“Dem Gipfel sind keine Grenzen gesetzt.”
Armut und Wohlstand werden von der Regierung nicht nach Vermögen, sondern nach Einkommen definiert. „Es gibt kein Limit“, erklärt Lauterbach.
In Deutschland gibt es 120 Milliardäre. Dietmar Hopp, Inhaber der TSG Hoffenheim, wird auf über 9 Milliarden Euro geschätzt. Allerdings verblasst sein Vermögen im Vergleich zu dem von Microsoft-Gründer Bill Gates, der ein Vermögen von rund 82 Milliarden Euro anhäufte. Dann gibt es vielleicht eine Vermögensdefinition. „Man ist wohlhabend, wenn man nicht arbeiten muss“, erklärt Lauterbach.
Wolfgang Lauterbach war Mitautor der Armuts- und Reichtumsstudie der Bundesregierung. Ein Soziologe der Universität Potsdam studiert seit Jahren reiche Deutsche.
SZ: Herr Lauterbach, was fasziniert uns an denen, die viel Geld haben?
Lauterbach, Wolfgang: Das Wichtigste ist, dass man etwas hat, was andere nicht haben: einen entgeltfreien Alltag. Auf die Frage, was sie sich wünschen, nennen mindestens vier von fünf von ihnen Geld. Geld, insbesondere wenn es eine erreichbare Größenordnung erreicht, verschafft Freiheit.
Haben Sie Fantasien darüber, was Sie tun würden, wenn Sie reich wären?
Einerseits möchte man darauf zugreifen; auf der anderen Seite schützen Vermögenswerte vor Lebensgefahr. Auf der anderen Seite gefällt Ihnen die Villa, aber Sie sagen: “Ich will sie nicht.”
Wieso den?
Wohlstand ist in Deutschland verpönt, insbesondere wenn es um Lebensstile geht, die Wert auf Erhabenheit legen. Materielle Dinge werden selten als Symbol für den Wert eines Lebens gesehen.
Vermeiden deutsche Reiche deshalb die Interaktion mit der Öffentlichkeit?
Wolfgang Lauterbach Vermögen
Viele wollen sich der Öffentlichkeit nicht aussetzen, weil das Image der Vermögenden geprägt ist von denen, die durch einen Skandal vermögend geworden sind, wie zum Beispiel durch den Bankenskandal. In solchen Fällen ist es verpönt, stolz auf das materiell Erreichte zu sein. Die Einkommensungleichheit ist auch emotional intensiv. Es ist in der Öffentlichkeit schwer nachzuvollziehen, wenn ein Manager das 50- oder 170-fache des Jahresgehalts eines regulären Mitarbeiters bekommt.