In der glitzernden Welt des professionellen Tennis sehen wir oft nur den Ruhm, die Trophäen und das Preisgeld. Wir bewundern die Athleten für ihre Kraft, ihre Ausdauer und ihren unbändigen Willen zum Sieg. Doch hinter jedem erfolgreichen Sportler steht eine Geschichte, die selten erzählt wird – eine Geschichte von Opfern, Entbehrungen und unerschütterlichem Glauben. Dies ist die Geschichte von Eva Lys, einem der aufstrebenden Sterne am deutschen Tennishimmel, und vor allem die Geschichte ihrer Eltern, deren Liebe und Opferbereitschaft den Grundstein für ihren Traum legten.
Ein Neuanfang in einem fremden Land
Die Geschichte der Familie Lys ist tief in den politischen Umwälzungen Osteuropas verwurzelt. Eva wurde in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, geboren. Ihr Vater, Vladimir Lys, war selbst ein hochrangiger Tennisspieler. Er war Mitglied des sowjetischen Davis-Cup-Teams und trainierte später die ukrainische Nationalmannschaft. Das Leben in der Ukraine war jedoch von Unsicherheit geprägt. Auf der Suche nach Stabilität, besseren Perspektiven und vor allem einer sicheren Zukunft für ihre Töchter Eva und Lisa trafen Vladimir und seine Frau eine lebensverändernde Entscheidung: Sie verließen ihre Heimat und zogen nach Deutschland.
Dieser Schritt war alles andere als einfach. Sie ließen Freunde, Familie und ihre vertraute Umgebung zurück. In Deutschland angekommen, mussten sie bei null anfangen. Die Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede und die Herausforderung, sich in einem neuen System zurechtzufinden, waren immense Hürden. Vladimir, ein anerkannter Tennistrainer in seiner Heimat, musste sich in der neuen Umgebung erst wieder einen Namen machen.

Der Tennisplatz als zweite Heimat
Von klein auf zeigte die junge Eva ein außergewöhnliches Talent für den Tennissport. Der Apfel fiel nicht weit vom Stamm. Für ihren Vater Vladimir war klar: Dieses Talent musste gefördert werden. Der Tennisplatz wurde schnell zur zweiten Heimat für Eva. Hier verbrachte sie unzählige Stunden, feilte an ihrer Technik und entwickelte jene Kampfstärke, die sie heute auf dem Platz auszeichnet.
Doch die Förderung eines Tennistalents ist ein kostspieliges Unterfangen. Die Ausgaben für Trainer, Platzmieten, Ausrüstung, Reisen zu Turnieren und die medizinische Versorgung summieren sich schnell zu Beträgen, die für eine normale Familie kaum zu stemmen sind. Für die Familie Lys, die in einem neuen Land Fuß fassen musste, war dies eine schier unüberwindbare finanzielle Belastung.
Ein Opfer, das alles veränderte
Hier beginnt der Teil der Geschichte, der oft im Verborgenen bleibt. Vladimir Lys traf eine Entscheidung, die das Wesen wahrer elterlicher Liebe verkörpert. Um die Karriere seiner Tochter zu finanzieren, gab er seinen eigenen Traum, als hochqualifizierter Trainer zu arbeiten, vorübergehend auf. Er nahm einen Job an, der nichts mit seiner Leidenschaft zu tun hatte, der aber ein stabiles Einkommen garantierte.
Er wurde LKW-Fahrer.
Tag für Tag saß der ehemalige Davis-Cup-Spieler hinter dem Steuer eines Lastwagens und fuhr Waren durch ganz Deutschland. Die langen Stunden auf der Autobahn, die Nächte fern von der Familie, die körperliche Anstrengung – all das nahm er auf sich. Jeder Kilometer, den er zurücklegte, war ein Kilometer näher an der Verwirklichung von Evas Traum. Das Geld, das er verdiente, floss direkt in die Tenniskarriere seiner Tochter. Es finanzierte die Trainingsstunden, die Reisen zu internationalen Jugendturnieren und alles, was nötig war, um auf höchstem Niveau konkurrenzfähig zu sein.
In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sprach Eva Lys offen über dieses immense Opfer: „Mein Papa ist für mich LKW gefahren, damit er meine Karriere finanzieren konnte. Das ist das größte Opfer, das ich je gesehen habe.“ Diese Worte lassen erahnen, welche emotionale Last und welche Dankbarkeit Eva für ihre Eltern empfindet.
Mehr als nur finanzielle Opfer
Das Opfer von Vladimir Lys war jedoch nicht nur finanzieller Natur. Es war auch ein emotionales und persönliches Opfer. Er tauschte den Tennisplatz, seine wahre Leidenschaft, gegen das Führerhaus eines LKW. Die Zeit, die er auf der Straße verbrachte, war Zeit, die er nicht mit seiner Familie verbringen konnte. Er verpasste möglicherweise kleine und große Momente im Leben seiner Töchter.
Gleichzeitig trug auch Evas Mutter eine schwere Last. Sie war der Fels in der Brandung für die Familie, hielt zu Hause alles zusammen und unterstützte Eva mental. Der Druck, der auf einer jungen Athletin lastet, ist enorm. Die Mutter war es, die tröstete, motivierte und dafür sorgte, dass Eva trotz des harten Trainings eine normale Kindheit haben konnte.
Die Familie funktionierte als Team. Jedes Mitglied spielte seine Rolle mit Hingabe und aus tiefster Überzeugung. Ihr gemeinsames Ziel: Evas Erfolg. Diese Einheit und dieser Zusammenhalt schmiedeten ein unzerbrechliches Band zwischen ihnen.
Der Weg zum Erfolg: Ein steiniger Pfad
Der Weg an die Spitze ist im Tennis besonders hart. Nur ein Bruchteil der talentierten jungen Spieler schafft den Sprung zu den Profis. Eva Lys musste lernen, mit Niederlagen umzugehen, Verletzungen zu überwinden und sich immer wieder neu zu motivieren. Doch das Wissen um die Opfer ihrer Eltern war für sie stets ein zusätzlicher Ansporn. Sie spielte nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Familie.
Ihr unermüdlicher Einsatz zahlte sich aus. Schritt für Schritt kämpfte sie sich in der Weltrangliste nach oben. Sie gewann ITF-Turniere und qualifizierte sich für die Hauptfelder von Grand-Slam-Turnieren. Ein besonders emotionaler Moment war ihre Teilnahme an den Australian Open, ihrem ersten Grand Slam. Dieser Erfolg war die Belohnung für Jahre harter Arbeit und unzähliger Entbehrungen der gesamten Familie.
Ein weiterer Meilenstein war ihr Debüt im deutschen Team beim Billie Jean King Cup. Für ihr neues Heimatland zu spielen, war für Eva eine besondere Ehre und ein Beweis dafür, dass die Entscheidung ihrer Eltern, in Deutschland ein neues Leben zu beginnen, die richtige war. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) erkannte ihr Potenzial und unterstützt sie auf ihrem weiteren Weg.
Die Bedeutung der Familie im modernen Tennis

Die Geschichte von Eva Lys und ihren Eltern wirft ein Schlaglicht auf ein wichtiges Thema im modernen Sport: die Rolle der Familie. In einer Zeit, in der junge Athleten immer früher unter enormen Druck geraten, ist ein stabiles familiäres Umfeld von unschätzbarem Wert. Eltern sind nicht nur Sponsoren, sondern auch Mentoren, Psychologen und die größten Fans.
Vladimir Lys ist heute wieder als Trainer tätig und begleitet seine Tochter so oft wie möglich zu Turnieren. Seine Expertise als ehemaliger Profi und seine Perspektive als Vater sind eine unschlagbare Kombination. Er kennt die technischen Finessen des Spiels ebenso gut wie die mentalen Herausforderungen. Diese enge Zusammenarbeit ist einer der Schlüssel zu Evas Erfolg.
Eine Inspiration für viele
Die Geschichte der Familie Lys ist mehr als nur eine Sportgeschichte. Es ist eine Geschichte über Migration, Integration, bedingungslose Liebe und den unerschütterlichen Glauben an einen Traum. Sie zeigt, dass hinter dem Erfolg oft unsichtbare Helden stehen, deren Opfer die Grundlage für Großes schaffen.
Eva Lys ist sich dieser Verantwortung bewusst. Sie ist nicht nur eine talentierte Tennisspielerin, sondern auch ein Vorbild. Ihre Herkunft und die Geschichte ihrer Familie machen sie zu einer wichtigen Stimme. Vor dem Hintergrund des Krieges in ihrer Geburtsheimat Ukraine hat sie sich immer wieder klar positioniert und ihre Solidarität bekundet. Bei vielen Turnieren trug sie ein Band in den ukrainischen Nationalfarben an ihrer Schirmmütze – eine stille, aber kraftvolle Geste.
Fazit: Ein Traum, getragen von Liebe

Wenn Eva Lys heute auf dem Centre Court steht und um jeden Ball kämpft, kämpft sie mit der Kraft und der Liebe ihrer ganzen Familie im Rücken. Der LKW, den ihr Vater fuhr, war mehr als nur ein Transportmittel. Er war das Fahrzeug, das ihren Traum ins Rollen brachte. Die Opfer, die ihre Eltern brachten, waren keine Bürde, sondern das Fundament, auf dem ihr Erfolg gebaut ist.
Die Geschichte von Eva Lys erinnert uns daran, dass die größten Siege nicht immer auf dem Tennisplatz errungen werden. Die größten Siege sind die der Liebe, des Zusammenhalts und der Opferbereitschaft. Und während die Welt den aufsteigenden Tennisstern feiert, gebührt der größte Applaus den stillen Helden im Hintergrund: ihren Eltern, die alles gaben, damit ihre Tochter fliegen konnte. Ihr Vermächtnis ist nicht in Pokalen eingraviert, sondern in jedem kraftvollen Schlag, den Eva Lys über das Netz schickt – ein Schlag für ihre Familie, für ihre Geschichte und für ihren hart erkämpften Traum.