Steffi Graf: So anders lebt die Tennis-Ikone heute wirklich.

Steffi Graf: So anders lebt die Tennis-Ikone heute wirklich

Sie war die „Gräfin“ des Tennis, eine Maschine auf dem Platz, die mit ihrer Vorhand eine ganze Generation von Gegnerinnen dominierte. Steffi Graf war mehr als nur eine Sportlerin; sie war ein deutsches Phänomen, ein Symbol für Disziplin, Willensstärke und Erfolg. Ihr Name stand für Rekorde, für den legendären Golden Slam und für eine Ära, in der Deutschland im Tennis-Fieber war. Doch fast so plötzlich, wie sie auf der Weltbühne erschien, verschwand sie auch wieder daraus.

Heute, über zwei Jahrzehnte nach ihrem Rücktritt, fragen sich viele: Was macht Steffi Graf eigentlich heute? Die Antwort ist ebenso faszinierend wie die Karriere der Frau, die einst die Welt bedeutete. Sie hat das Rampenlicht gegen ein Leben eingetauscht, das normaler und erfüllender nicht sein könnte – ein Leben, das so völlig anders ist als das, was die Welt von ihr kannte. Begleiten Sie uns auf eine Reise in die heutige Welt von Stefanie Graf, von den ruhigen Vororten von Las Vegas bis zu ihrem unermüdlichen Engagement für Kinder in Not.

Der bewusste Abschied: Warum die Stille lauter war als der Applaus

Steffi Graf
Steffi Graf

Erinnern wir uns kurz zurück. August 1999. Steffi Graf, damals erst 30 Jahre alt und die Nummer 3 der Welt, beruft eine Pressekonferenz ein und verkündet ihren sofortigen Rücktritt. Die Tenniswelt ist schockiert. Warum aufhören, wenn man immer noch an der Spitze mitspielen kann? Für Graf war die Antwort einfach und klar. „Ich habe im Tennis alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte“, erklärte sie damals. „Die Motivation war einfach nicht mehr da.“

Dieser Schritt war kein impulsiver Entschluss, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses. Jahrelange Verletzungen hatten ihren Körper zermürbt, aber vor allem hatte sie die Freude am Spiel verloren. Das ständige Reisen, der unerbittliche Druck, die Isolation im Hotelzimmer – all das, was zum Leben eines Tennisprofis gehört, fühlte sich für sie nicht mehr richtig an.

Im Gegensatz zu vielen anderen Sport-Ikonen, die nach ihrer Karriere als Kommentatoren, Trainer oder TV-Persönlichkeiten im Rampenlicht bleiben, wählte Steffi Graf den radikalsten Weg: den Rückzug ins Private. Sie sehnte sich nach einem Leben ohne öffentliche Beobachtung, nach Normalität. Dieser Wunsch nach Anonymität ist der rote Faden, der sich durch ihr gesamtes Leben nach dem Tennis zieht.

Die größte Liebe: Andre Agassi – Zwei Welten finden zueinander

Wenn es ein Symbol für Steffi Grafs neues Leben gibt, dann ist es ihre Beziehung zu Andre Agassi. Auf den ersten Blick schien es die unwahrscheinlichste Paarung im Sport zu sein: Hier die zurückhaltende, disziplinierte Deutsche, dort der schillernde, rebellische Rockstar des Tennis aus Las Vegas. Doch hinter der Fassade verbargen sich zwei Seelen, die sich ähnlicher waren, als man dachte. Beide kannten den unvorstellbaren Druck des Tenniszirkus seit ihrer Kindheit und beide sehnten sich nach einem authentischen Leben.

Ihr Zusammentreffen war fast schicksalhaft. Nachdem beide 1999 die French Open gewonnen hatten, begann ihr gemeinsamer Weg. Agassi beschreibt in seiner schonungslos ehrlichen Autobiografie „Open“, wie er jahrelang von Graf fasziniert war und wie er sie mit Beharrlichkeit und Charme für sich gewann. Er sah hinter der kühlen Fassade der „Gräfin“ die warme, humorvolle und tiefgründige Frau, die die Welt nie zu sehen bekam.

Am 22. Oktober 2001 heirateten sie. Die Zeremonie war genau so, wie sie es sich wünschten: extrem privat. Nur ihre Mütter waren als Trauzeugen anwesend. Es war der offizielle Beginn ihres gemeinsamen Lebens, weit weg von den Kameras und dem Jubel der Stadien. Ihre Liebe wurde zum Fundament, auf dem sie alles Weitere aufbauten. Agassi sagte einmal über seine Frau: „Sie ist der höchste Maßstab, an dem ich mich messe.“ Dieses Zitat fasst die Tiefe und den Respekt in ihrer Beziehung perfekt zusammen.

Das Herzstück in Las Vegas: Mama Steffi und ihre Familie

Während die Welt Las Vegas mit Casinos, Shows und Glitzer verbindet, ist es für die Familie Agassi-Graf ein ruhiger und normaler Heimatort. Hier, in einem weitläufigen Anwesen im Vorort Summerlin, haben sie ein Refugium geschaffen, das ihnen die gewünschte Normalität ermöglicht. Im Mittelpunkt dieses Lebens stehen ihre beiden Kinder: Sohn Jaden Gil, geboren 2001, und Tochter Jaz Elle, geboren 2003.

Für ihre Kinder legte Steffi Graf die Tenniskarriere endgültig ad acta und nahm ihre neue Rolle als Vollzeitmutter mit derselben Hingabe an, die sie einst auf dem Tennisplatz zeigte. Sie war diejenige, die die Kinder zur Schule fuhr, bei den Hausaufgaben half und ihre sportlichen und kreativen Interessen unterstützte. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, ihren Kindern eine Kindheit zu ermöglichen, die so normal wie möglich ist – eine Kindheit, die sie selbst nie hatte.

Interessanterweise wurde keines der Kinder in den Tennissport gedrängt. „Wir haben sie nie dazu gedrängt, Tennis zu spielen“, erklärte Graf in einem seltenen Interview. „Wir wollten, dass sie ihre eigenen Leidenschaften finden.“

  • Jaden Gil Agassi fand seine Leidenschaft im Baseball. Er entwickelte sich zu einem hochtalentierten Pitcher und spielte auf College-Niveau für die University of Southern California (USC). Sein Weg zeigt, wie sehr seine Eltern ihn dabei unterstützten, seinen eigenen Traum zu verfolgen, auch wenn dieser mit Herausforderungen verbunden war.
  • Jaz Elle Agassi ist passionierte Reiterin und hat eine große Leidenschaft für Tanz, insbesondere Hip-Hop. Sie meidet die Öffentlichkeit noch mehr als der Rest ihrer Familie und lebt ihr Leben abseits der sozialen Medien.

Das Familienleben der Agassi-Grafs ist geprägt von Routinen, die man bei Superstars dieses Kalibers nicht erwarten würde. Gemeinsame Abendessen, Spieleabende und die Unterstützung der Kinder bei ihren Aktivitäten stehen im Vordergrund. Steffi Graf hat in der Rolle als Mutter und Ehefrau eine Erfüllung gefunden, die ihr Siege und Trophäen nie geben konnten.

Ein Herz für Kinder: Die Stiftung „Children for Tomorrow“

Während ihr Familienleben privat bleibt, gibt es einen Bereich, in dem Steffi Graf bewusst an die Öffentlichkeit tritt: ihr humanitäres Engagement. Bereits 1998, noch während ihrer aktiven Karriere, gründete sie die Stiftung „Children for Tomorrow“. Ihre Mission ist es, Kindern und Familien zu helfen, die durch Krieg, Verfolgung und organisierte Gewalt traumatisiert wurden.

Die Inspiration für die Gründung kam durch eine Reise nach Uganda, wo sie das Leid von Flüchtlingskindern hautnah erlebte. Diese Erfahrung prägte sie nachhaltig und entfachte in ihr den Wunsch, ihre Bekanntheit für einen höheren Zweck zu nutzen. Die Arbeit der Stiftung ist heute der zentrale Fokus ihres öffentlichen Wirkens.

Das Herzstück der Stiftungsarbeit befindet sich in Deutschland, genauer gesagt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Hier hat „Children for Tomorrow“ eine Ambulanz aufgebaut, in der junge Flüchtlinge aus Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan oder der Ukraine therapeutische Hilfe erhalten. Spezialisierte Teams aus Psychologen, Therapeuten und Sozialarbeitern helfen den Kindern, ihre schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten und wieder Hoffnung zu schöpfen.

Steffi Graf ist dabei weit mehr als nur eine Namensgeberin. Sie ist tief in die Arbeit der Stiftung involviert, reist regelmäßig nach Hamburg, um sich mit dem Team auszutauschen, und nutzt ihre Kontakte, um Spenden zu sammeln. „Wenn man in die Augen dieser Kinder blickt, weiß man, warum man das tut“, sagt sie über ihre Motivation. Ihre Disziplin und ihr Perfektionismus, die sie einst zur besten Tennisspielerin der Welt machten, fließen heute vollständig in dieses Projekt. Es ist ihr neues Lebenswerk, ihr wichtigster Sieg.

Die Verbindung nach Deutschland: Eine komplizierte Liebe

Das Verhältnis von Steffi Graf zu ihrer alten Heimat Deutschland ist komplex. Obwohl ihre Stiftung in Hamburg angesiedelt ist, sind ihre Besuche in Deutschland selten und meist auf Termine für „Children for Tomorrow“ oder langjährige Sponsoren wie Longines beschränkt. Viele Deutsche bedauern, ihre Ikone so selten zu sehen, und fragen sich, ob sie ihre Wurzeln vergessen hat.

Doch Grafs Perspektive ist verständlich. Ihr Zuhause, ihr Alltag, ihr engster Kreis – all das ist seit über 20 Jahren in den USA. „Mein Leben ist jetzt hier“, sagte sie in einem Interview und meinte damit ihre Familie in Las Vegas.

Man darf auch nicht die schmerzhaften Erfahrungen vergessen, die sie in Deutschland gemacht hat. Die Steuer-Affäre um ihren Vater Peter Graf in den 90er-Jahren war ein traumatisches Ereignis für die ganze Familie. Die mediale Hetzjagd und der öffentliche Druck haben tiefe Narben hinterlassen und ihr Verhältnis zur deutschen Öffentlichkeit und Presse nachhaltig belastet. Ihr Rückzug war auch eine Flucht vor diesem unerbittlichen medialen Scheinwerferlicht.

Trotz der physischen Distanz bleibt eine starke emotionale Verbindung. Ihr Engagement in Hamburg zeigt, dass sie ihre Herkunft nicht vergessen hat. Sie ist und bleibt eine Deutsche, die ihren Weg in der Welt gefunden hat – eine Liebe aus der Ferne, die auf ihre eigene, stille Art gepflegt wird.

Fitness, Business und ein stilles Vermögen

Wer glaubt, Steffi Graf hätte nach ihrer Karriere die Sportschuhe an den Nagel gehängt, irrt sich gewaltig. Sie ist auch heute noch unglaublich fit. Ihr Tag beginnt oft früh am Morgen mit einer intensiven Trainingseinheit im hauseigenen Fitnessstudio. Disziplin ist ein Teil ihrer DNA geblieben. Sie und Andre Agassi motivieren sich gegenseitig und sehen Fitness als wichtigen Bestandteil eines gesunden und ausgeglichenen Lebens.

Auch geschäftlich ist Graf aktiv, wenn auch sehr selektiv. Sie hat keine unzähligen Werbeverträge, sondern pflegt langjährige Partnerschaften mit Marken, die zu ihr passen, wie Adidas und dem Uhrenhersteller Longines. Zusammen mit Andre Agassi betreibt sie die Firma Agassi Graf Holdings, die in verschiedene Projekte investiert, unter anderem in Immobilien und Technologie.

Ihr über die Jahre angehäuftes Vermögen wird auf über 100 Millionen Euro geschätzt. Doch anders als viele Prominente stellt sie ihren Reichtum nicht zur Schau. Das Geld dient ihr als Mittel zur Unabhängigkeit und ermöglicht ihr, sich voll und ganz auf die Dinge zu konzentrieren, die ihr wirklich am Herzen liegen: ihre Familie und ihre Stiftung.

Fazit: Der größte Sieg ist ein glückliches Leben

Das Leben von Steffi Graf heute ist der ultimative Beweis dafür, dass es ein erfülltes Leben nach dem Spitzensport geben kann. Sie hat den Tennisschläger gegen das Familienleben getauscht, den Siegerpokal gegen die stille Zufriedenheit, Gutes zu tun. Die Frau, die einst von Millionen auf dem Centre Court bejubelt wurde, findet ihr Glück heute im Lachen ihrer Kinder und in den Fortschritten der traumatisierten Kinder, denen ihre Stiftung hilft.

Ihr Vermächtnis ist heute ein doppeltes. Da ist zum einen die unvergessene Tennislegende, die mit 22 Grand-Slam-Titeln und dem Golden Slam Sportgeschichte schrieb. Und da ist zum anderen die Frau, die es geschafft hat, nach einer Karriere unter extremem öffentlichen Druck ein Leben in Frieden, Liebe und Sinnhaftigkeit aufzubauen.

Steffi Graf hat bewiesen, dass der größte Sieg nicht auf dem Tennisplatz errungen wird, sondern im Leben selbst. Und dieses neue, andere Leben steht ihr ausgezeichnet.

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