Erinnern Sie sich an das Jahr 2014? Europa hielt den Atem an. Auf der Bühne des Eurovision Song Contest in Kopenhagen stand eine Gestalt, die alles in den Schatten stellte: eine glamouröse Diva in einem goldenen Kleid, mit langen, wallenden Haaren, makellosem Make-up und … einem perfekt gestutzten Vollbart. Ihr Name: Conchita Wurst. Ihr Lied: „Rise Like a Phoenix“.
An diesem Abend wurde nicht nur ein Gesangswettbewerb gewonnen. An diesem Abend wurde eine globale Ikone geboren. Conchita Wurst wurde über Nacht zum Symbol für Toleranz, Akzeptanz und den Mut, anders zu sein. Doch wer glaubt, das Bild der bärtigen Diva sei das Ende der Geschichte, der irrt gewaltig.
Im Jahr 2025 ist die Verwandlung von Conchita Wurst so radikal und vielschichtig, dass man sie tatsächlich kaum wiedererkennt. Aber diese „krasse Verwandlung“ ist kein plötzlicher Imagewechsel. Es ist die faszinierende Reise eines Künstlers, der sich weigert, in eine Schublade gesteckt zu werden. Begleiten Sie uns auf einer Reise durch die Zeit, um die vielen Gesichter von Conchita Wurst und dem Mann dahinter, Tom Neuwirth, zu entdecken.
Teil 1: Die Geburt einer Ikone – Die „klassische“ Conchita

Bevor die Welt Conchita kannte, gab es Tom Neuwirth. Ein junger, talentierter Sänger aus Österreich, der bereits 2006 in der Castingshow Starmania auf sich aufmerksam machte. Doch Tom spürte, dass er mehr zu sagen hatte. Er brauchte eine Bühne, eine Persona, um seine Botschaft zu transportieren. So wurde die Kunstfigur Conchita Wurst geboren.
2014: Der Phönix aus der Asche
Der Sieg beim ESC 2014 war der Urknall. Die Figur der Conchita Wurst war ein perfekt durchdachtes Kunstwerk. Sie war die Verkörperung des klassischen Hollywood-Glamours einer Shirley Bassey, kombiniert mit einem Element, das alle Sehgewohnheiten brach: dem Bart.
Dieser Bart war weit mehr als ein Gimmick. Er war ein politisches Statement. Er stellte die traditionellen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Frage. Er sagte: „Es ist egal, wie du aussiehst, woher du kommst oder wen du liebst.“ Conchita wurde zur „Queen of Europe“, eine Botschafterin für die LGBTQ+-Community und ein Symbol der Hoffnung für Millionen von Menschen, die sich anders fühlen.
Jahrelang tourte Conchita in diesem Look um die Welt. Sie sang vor dem Europäischen Parlament, trat bei den Golden Globes auf und wurde zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten Österreichs. Sie war die glamouröse, unantastbare Diva mit der großen Stimme und der noch größeren Botschaft.
Teil 2: Die erste Verwandlung – Die Dekonstruktion der Diva
Doch jeder Künstler muss sich weiterentwickeln. Und für Tom Neuwirth wurde die Figur der glamourösen Conchita langsam zu einem goldenen Käfig. Er hatte mit ihr alles erreicht, was er sich erträumt hatte. Es war Zeit für eine Veränderung.
„Ich muss sie töten“ – Ein radikaler Schnitt
Um das Jahr 2017 schockierte der Künstler seine Fans mit einer Aussage in mehreren Interviews: „Ich muss sie töten.“ Er erklärte, dass die Figur der langhaarigen Diva auserzählt sei und er neue Facetten von sich zeigen wolle. Diese Ankündigung markierte den Beginn der ersten großen Verwandlung.
Der neue Look: Androgyn und kantig
Die langen Haare fielen. Der Look wurde kantiger, androgyner, manchmal deutlich maskuliner. Conchita trug nun oft kurze Haare, mal platinblond, mal schwarz. Die opulenten Roben wichen oft Hosenanzügen, Lederjacken oder minimalistischen Outfits.
Der Bart blieb, aber der Kontext änderte sich. Er war nicht mehr der Kontrapunkt zu einer ultra-femininen Erscheinung, sondern Teil eines fließenden Spiels mit den Geschlechterrollen. Viele Fans waren verwirrt. War das noch Conchita? Die erste Phase der Verwandlung hatte begonnen und bewies, dass dieser Künstler sich nicht auf seinem Erfolg ausruhen würde.
Teil 3: Die zweite Verwandlung – Die provokante Geburt von WURST

Wenn die erste Verwandlung eine Dekonstruktion war, dann war die zweite eine komplette Neuerfindung. Tom Neuwirth führte eine neue künstlerische Persona ein, die sich klar von der bisherigen Conchita abgrenzte: WURST (in Großbuchstaben).
Elektronisch, düster und kompromisslos
Mit dem Album „Truth Over Magnitude“ im Jahr 2019 vollzog sich auch ein radikaler musikalischer Wandel. Die großen Balladen im James-Bond-Stil wichen einem düsteren, elektronischen Sound, der an Industrial-Pop und Techno erinnerte. Die Musik von WURST war härter, lauter und provokanter.
Ein Look, der Grenzen sprengt
Auch visuell ging WURST neue Wege. Kahlrasierter Kopf, Latex-Outfits, muskulöser Körper – die Ästhetik war roh, sexuell aufgeladen und kompromisslos. Dies war nicht mehr die elegante Conchita, die über Toleranz sang. Dies war WURST, ein Künstler, der seine eigene Wahrheit und seine vielfältigen Identitäten erforschte.
Diese Phase war die bisher „krassteste Verwandlung“. Sie zeigte einen Künstler, der bereit war, sein Publikum herauszufordern und alle Erwartungen zu unterlaufen. Er trennte bewusst zwischen der „Entertainerin Conchita“ und dem „Musiker WURST“, um beiden Personas den Raum zur Entfaltung zu geben. Mehr über seine Kunst erfahren Sie auf seiner offiziellen Webseite.
Teil 4: Die Synthese im Jahr 2025 – „Ich bin viele“
Und heute, im Jahr 2025? Wer ist Conchita Wurst oder Tom Neuwirth jetzt? Die Antwort ist die vielleicht schönste Verwandlung von allen: Er ist alles gleichzeitig. Die starre Trennung zwischen den Personas ist einer fließenden, selbstbewussten Identität gewichen.
Die Freiheit, jeden Tag anders zu sein
Die aktuelle „Verwandlung“ ist die Freiheit selbst. An einem Tag sehen wir Tom Neuwirth als Gastgeber seiner eigenen Talkshow, mit kurzem Haar und in einem stylishen Anzug. Am nächsten Tag betritt Conchita die Bühne in einer atemberaubenden Robe und mit glamouröser Perücke, um eine Ballade zu singen. Dann wieder postet er auf Instagram ein Bild im WURST-Look.
Er hat aufgehört, sich zu entscheiden. Er hat verstanden, dass all diese Facetten Teile von ihm sind. Die Verwandlung ist nicht mehr ein Wechsel von einer Phase zur nächsten, sondern ein permanenter, fließender Zustand. Seine Botschaft lautet nun: Identität ist nicht statisch. Sie ist eine Performance, ein Spiel, eine tägliche Entscheidung.
Die Philosophie der fluiden Identität
„Ich bin viele“, sagte er einmal. Dieser Satz ist zum Kern seiner heutigen Kunst geworden. Er lebt vor, dass man nicht nur eine Sache sein muss. Man kann stark und verletzlich, maskulin und feminin, laut und leise sein – manchmal alles am selben Tag.
Diese Philosophie spiegelt sich auch in seiner Rolle als Ikone wider. Er nutzt seine Plattform nicht mehr nur für die große politische Botschaft, sondern auch für die persönliche. Seine mutige Entscheidung, seine HIV-Infektion öffentlich zu machen, war ein weiterer Akt der Befreiung. Er zeigte, dass Stärke auch darin liegt, seine eigene Verletzlichkeit zu zeigen.
Teil 5: Die tiefere Bedeutung hinter der Verwandlung
Jede Veränderung im Aussehen von Conchita Wurst war immer mehr als nur ein neuer Haarschnitt oder ein anderes Outfit. Es war und ist ein Kommentar zu unserer Gesellschaft.
Ein politisches Statement in einer sich wandelnden Welt
Indem er sich weigert, sich auf ein Bild festlegen zu lassen, hält er der Gesellschaft einen Spiegel vor. Er hinterfragt unsere Sehnsucht nach einfachen Kategorien und klaren Definitionen. In einer Welt, die immer noch versucht, Menschen in Schubladen zu stecken, ist seine ständige Verwandlung ein Akt der Rebellion. Es ist die radikale Forderung nach dem Recht auf Selbstbestimmung.
Ein Vorbild, das Mut macht
Für die LGBTQ+-Community und darüber hinaus ist Tom Neuwirth ein noch wichtigeres Vorbild geworden. Er zeigt, dass die Reise zur eigenen Identität niemals abgeschlossen ist. Er gibt Millionen von Menschen den Mut, ihre eigenen Facetten zu entdecken und zu leben, ohne sich für ihre Widersprüche rechtfertigen zu müssen.

Schlussfolgerung: Der Phönix steigt immer wieder neu auf
Wenn Sie also heute ein Bild von Conchita Wurst oder Tom Neuwirth sehen und denken: „Den erkenne ich kaum wieder!“, dann hat der Künstler alles richtig gemacht. Ihn wiederzuerkennen, würde bedeuten, dass er stehen geblieben ist. Aber das ist nicht seine Natur.
Die „krasse Verwandlung“ ist seine Essenz. Von der bärtigen Diva, die Europa eroberte, über den kantigen Elektro-Musiker WURST bis hin zu der fließenden, vielschichtigen Künstlerpersönlichkeit von heute – die Reise ist das Ziel.
Tom Neuwirth hat uns mit Conchita Wurst gelehrt, dass man wie ein Phönix aus der Asche steigen kann. Heute lehrt er uns etwas noch Wichtigeres: Man muss nicht nur einmal aufsteigen. Man kann es immer und immer wieder tun, jedes Mal ein bisschen anders, ein bisschen freier, ein bisschen mehr man selbst. Und das ist die schönste Verwandlung von allen.