Kai Havertz: Wie er bei Arsenal in nur einer Saison zur Legende wurde.

Kai Havertz: Wie er bei Arsenal in nur einer Saison zur Legende wurde

Ein Name, der im Sommer 2023 bei den Fans des FC Arsenal für mehr Stirnrunzeln als Jubelstürme sorgte. Kai Havertz. Der £65-Millionen-Mann vom Londoner Rivalen Chelsea. Ein Spieler mit unbestreitbarem Talent, aber auch einer, dessen Zeit an der Stamford Bridge von Inkonsistenz und einer quälenden Suche nach seiner wahren Identität auf dem Platz geprägt war. Die Fragen waren laut und zahlreich: Ist er das Geld wert? Wo soll er überhaupt spielen? Ist das der Spieler, der Arsenal nach über 20 Jahren endlich wieder zum Premier-League-Titel führen kann?

Heute, nur eine Saison später, sind diese Fragen verstummt. Sie wurden ersetzt durch einen der eingängigsten Fangesänge der Liga: “Waka waka, eh, eh, £60 million down the drain, Kai Havertz scores again!” Dieser ironische Gesang, der einst von gegnerischen Fans gesungen wurde, um ihn zu verspotten, wurde von den Gooners adoptiert und in eine Hymne des Triumphs und der Zuneigung verwandelt.

Die Geschichte von Kai Havertz’ erster Saison bei Arsenal ist mehr als nur eine sportliche Erfolgsgeschichte. Es ist eine Erzählung von Widerstandsfähigkeit, von taktischer Brillanz und von der unglaublichen Kraft, die entsteht, wenn ein Spieler, ein Trainer und eine Fangemeinde zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Es ist die Geschichte, wie Kai Havertz in nur einer Saison vom umstrittenen Neuzugang zur Ikone des Emirates Stadiums wurde. Begleiten Sie uns auf dieser Reise und entdecken Sie, wie aus Zweifeln Legenden geboren werden.

Kapitel 1: Der umstrittene Transfer – Ein Sommer voller Zweifel

Kai Havertz
Kai Havertz

Als am 28. Juni 2023 die offizielle Bestätigung des Transfers durch den FC Arsenal erfolgte, war die Reaktion der Fußballwelt gemischt, um es milde auszudrücken. Einerseits sicherte sich Arsenal die Dienste eines Spielers, der Deutschland bei der EM und WM vertreten und das entscheidende Tor im Champions-League-Finale 2021 erzielt hatte. Andererseits zahlten sie eine gewaltige Summe für einen Spieler, der bei Chelsea oft wie ein Fremdkörper wirkte.

Bei den Blues wurde Havertz als Stürmer, als hängende Spitze und als offensiver Mittelfeldspieler eingesetzt, ohne jemals eine Position wirklich zu seiner eigenen zu machen. Seine Torquote war für einen Angreifer oft zu niedrig, und seine Körpersprache wurde ihm manchmal als lustlos ausgelegt. Viele Experten und Journalisten fragten sich, ob Arsenal hier nicht einen teuren Fehler beging. Der Druck auf Havertz und vor allem auf Trainer Mikel Arteta war vom ersten Tag an immens.

Arteta jedoch, der Architekt des modernen Arsenal, hatte eine klare Vision. In Interviews sprach er nicht über Havertz’ Zeit bei Chelsea, sondern über seine fundamentalen Qualitäten: seine Spielintelligenz, seine Größe, seine technischen Fähigkeiten und seine Vielseitigkeit. “Er wird unsere Spielweise erheblich verbessern”, versprach Arteta. Es war ein Versprechen, das anfangs auf Skepsis stieß, sich aber als eine der treffsichersten Vorhersagen der Saison herausstellen sollte.

Kapitel 2: Die schwierige Anlaufphase – Geduld als Tugend

Die ersten Wochen der Saison 2023/24 schienen die Kritiker zu bestätigen. Havertz mühte sich sichtlich, seinen Platz im flüssigen System von Arsenal zu finden. Eingesetzt als linker Achter, eine Rolle, die in der Vorsaison vom robusten Granit Xhaka ausgefüllt wurde, wirkte er oft verloren. Er verpasste klare Torchancen, seine Pässe fanden nicht immer ihr Ziel, und die Leichtigkeit, die sein Spiel in Leverkusen einst auszeichnete, war verschwunden.

Der Druck wuchs mit jedem Spiel. Die Medien zählten seine torlosen Einsätze, und in den sozialen Netzwerken wurden die ersten Zweifel laut. Doch dann passierte etwas Bemerkenswertes, etwas, das den Charakter dieses Vereins unter Mikel Arteta definiert. Statt ihn fallen zu lassen, stellte sich die Arsenal-Familie hinter ihn.

  • Der Trainer: Arteta verteidigte Havertz in jeder Pressekonferenz vehement. Er lobte seine “unsichtbare” Arbeit, sein Pressingverhalten und seine intelligenten Läufe, die Räume für andere schufen.
  • Die Mitspieler: Die Unterstützung auf dem Platz war unübersehbar. Kein schlechtes Wort, stattdessen aufmunternde Gesten und ständiger Zuspruch.
  • Die Fans: Im Emirates Stadium hallte sein Name schon durch die Ränge, bevor er überhaupt einen signifikanten Beitrag geleistet hatte. Die Fans spürten, dass dieser Spieler ihre Unterstützung brauchte, und sie gaben sie bedingungslos.

Der Wendepunkt kam am 30. September 2023 im Spiel gegen den AFC Bournemouth. Arsenal führte komfortabel, als ihnen in der Schlussphase ein Elfmeter zugesprochen wurde. Der etatmäßige Schütze Bukayo Saka hatte den Ball bereits in der Hand, doch Kapitän Martin Ødegaard intervenierte. Er nahm Saka den Ball ab und gab ihn Kai Havertz, damit dieser endlich sein erstes Tor für den Verein erzielen konnte.

Havertz trat an und verwandelte sicher. Der Jubel seiner Mitspieler war ekstatischer als sein eigener. Aber der wirklich magische Moment folgte danach. Die mitgereisten Arsenal-Fans sangen seinen Namen minutenlang so laut, als hätte er gerade ein Pokalfinale entschieden. Dieser Moment der puren Menschlichkeit und Einheit war die eigentliche Geburt des Kai Havertz, den wir heute bei Arsenal sehen. Die Last war von seinen Schultern gefallen, und das Vertrauen, das ihm der gesamte Verein entgegenbrachte, begann sich auszuzahlen.

Kapitel 3: Die taktische Meisterleistung – Artetas Vision wird Realität

Mit dem wachsenden Selbstvertrauen wurde auch Havertz’ Rolle auf dem Platz immer klarer und effektiver. Artetas Plan war von Anfang an vielschichtig.

Phase 1: Der linke Achter (LCM)

Zunächst setzte Arteta ihn im linken zentralen Mittelfeld ein. Hier waren seine Aufgaben:

  • Defensive Stabilität: Mit seiner Größe von 1,93 m bot er eine Präsenz in der Luft, die Arsenal im Mittelfeld zuvor fehlte. Er half, bei gegnerischen Abstößen zweite Bälle zu gewinnen und bei Standardsituationen defensiv auszuhelfen.
  • Intelligente Läufe: Er zog oft nach außen, um Räume für den Linksaußen (meist Gabriel Martinelli oder Leandro Trossard) zu schaffen.
  • Verbindungsspiel: Er agierte als Bindeglied zwischen dem tiefen Mittelfeld (Declan Rice) und der Angriffsreihe.

Obwohl er in dieser Rolle solide Leistungen zeigte, war es nicht die Position, auf der seine einzigartigen Fähigkeiten voll zur Geltung kamen.

Phase 2: Die “falsche Neun” – Der Geniestreich

Als die Saison fortschritt und die Angreifer Gabriel Jesus und Eddie Nketiah mit Formschwankungen zu kämpfen hatten, zog Arteta sein Ass aus dem Ärmel. Er beorderte Havertz in die vorderste Spitze, jedoch nicht als klassischen Mittelstürmer, sondern als “falsche Neun”. Und hier explodierte er förmlich.

In dieser Rolle war Havertz eine taktische Waffe, die für die meisten Gegner nicht zu verteidigen war. Seine Stärken kamen perfekt zur Geltung:

  • Raumdeutung: Havertz ließ sich konstant ins Mittelfeld fallen. Dadurch zog er die gegnerischen Innenverteidiger aus ihrer Position und schuf riesige Lücken hinter der Abwehrkette. In diese Lücken stießen dann pfeilschnelle Spieler wie Saka, Martinelli und Trossard.
  • Anlaufen im richtigen Moment: Er ist kein Spieler, der mit dem Rücken zum Tor Bälle festmacht. Stattdessen ist er ein Meister darin, im richtigen Moment in den Strafraum zu starten und Hereingaben zu verwerten. Seine Läufe aus der Tiefe sind unberechenbar.
  • Kopfballstärke: Eine seiner am meisten unterschätzten Fähigkeiten. Havertz entwickelte sich zu einem der besten Kopfballspieler der Liga. Ob nach Flanken von den Außenbahnen oder nach Standardsituationen – seine Fähigkeit, sich in der Luft durchzusetzen, brachte Arsenal unzählige Tore und gefährliche Momente ein.
  • Unermüdliches Pressing: Als vorderster Spieler war er der erste Verteidiger. Seine Laufleistung und sein unermüdliches Anlaufen der gegnerischen Abwehr setzten den Gegner permanent unter Druck und erzwangen Fehler.

Artetas Vision war nun für alle sichtbar. Er hatte keinen Stürmer für ein bestehendes System gekauft. Er hatte einen Spieler gekauft, um sein System auf die nächste Stufe zu heben – unberechenbarer, flüssiger und gefährlicher als je zuvor.

Kapitel 4: Die Leistungsexplosion – Vom Sorgenkind zum Matchwinner

Nach der Winterpause und der endgültigen Etablierung in seiner neuen Rolle schien Havertz wie entfesselt. Aus dem soliden Arbeiter wurde ein eiskalter Vollstrecker und einer der formstärksten Spieler der gesamten Premier League. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In der Premier-League-Saison 2023/24 erzielte er 13 Tore und lieferte 7 Vorlagen. Die meisten davon kamen in der entscheidenden zweiten Saisonhälfte.

Er wurde zum Mann für die wichtigen Momente. Erinnern Sie sich an den späten Siegtreffer gegen Brentford in der 86. Minute, der Arsenal an die Tabellenspitze katapultierte? Oder an sein Tor und seine überragende Leistung beim entscheidenden 1:0-Sieg im Old Trafford gegen Manchester United?

Sein emotionalster Moment kam jedoch am 23. April 2024. Im Derby gegen seinen Ex-Klub Chelsea war Havertz der alles überragende Mann. Er wirkte wie befreit, spielte mit einer breiten Brust und demontierte seine ehemaligen Kollegen mit zwei Toren beim historischen 5:0-Sieg. Sein Jubel nach den Toren war nicht hämisch, sondern pure, unverfälschte Freude und Genugtuung. Es war der endgültige Beweis, dass er in Nordlondon sein sportliches und emotionales Zuhause gefunden hatte.

Der Fangesang “Kai Havertz scores again!” war nun keine Ironie mehr, sondern eine freudige Erwartung. Wann immer er traf, explodierte das Emirates Stadium. Er war nicht mehr nur ein Teil der Mannschaft – er war ihr Herzschlag in der Offensive geworden.

Kapitel 5: Mehr als nur Tore – Der unsungene Held

Um die wahre Bedeutung von Kai Havertz für Arsenal zu verstehen, muss man über die Tore und Vorlagen hinausschauen. Sein Wert für das Team liegt ebenso in den Dingen, die nicht in den Highlight-Reels auftauchen.

  • Arbeitsrate und Defensivarbeit: Havertz gehört zu den laufstärksten Spielern der Mannschaft. Sein unermüdliches Pressing ist ansteckend und entscheidend für Artetas Spielphilosophie. Darüber hinaus ist seine Kopfballstärke bei der Verteidigung von gegnerischen Ecken von unschätzbarem Wert. Unzählige Male war er es, der am eigenen Fünfmeterraum die entscheidende Flanke aus der Gefahrenzone köpfte.
  • Intelligenz und “Shithousery”: Havertz ist ein unglaublich cleverer Spieler. Er weiß, wann er ein Foul ziehen muss, um das Spiel zu beruhigen. Er weiß, wie er seine Gegner mit kleinen Provokationen aus dem Konzept bringt. Diese oft als “Shithousery” oder “dunkle Künste” bezeichnete Fähigkeit ist etwas, das Arsenal in den vergangenen Jahren oft gefehlt hat. Er bringt eine Siegermentalität und eine gewisse Härte mit, die in den entscheidenden Momenten den Unterschied ausmachen kann.
  • Die Verbindung zu den Fans: Havertz hat eine authentische und tiefe Verbindung zu den Fans aufgebaut. Seine Jubelgesten, seine Interaktionen nach dem Spiel und seine sichtbare Leidenschaft für das Trikot haben ihn zu einem absoluten Publikumsliebling gemacht. Er verkörpert den Kampfgeist und die Eleganz, die dieses Arsenal-Team auszeichnen.

Spieler wie Declan Rice, Martin Ødegaard und Bukayo Saka mögen die offensichtlicheren Stars sein, aber Havertz ist der Leim, der viele taktische Elemente zusammenhält. Er ist der Spieler, dessen Wert man oft erst auf den zweiten Blick erkennt, der aber für den Erfolg des Kollektivs absolut unverzichtbar ist.

Kapitel 6: Eine Legende in nur einer Saison? – Eine Einordnung

Kommen wir zur zentralen Frage zurück: Ist es gerechtfertigt, Kai Havertz nach nur einer Saison als “Legende” zu bezeichnen?

Wenn man Legendenstatus ausschließlich an Titeln und langjähriger Vereinstreue misst, wie bei Ikonen à la Thierry Henry, Dennis Bergkamp oder Tony Adams, dann ist die Antwort natürlich: Nein, noch nicht. Dafür braucht es Zeit, Beständigkeit und vor allem große Trophäen.

Doch der Begriff “Legende” kann auch anders interpretiert werden. Eine Legende kann auch eine Geschichte sein – eine epische Erzählung, die über Generationen von Fans weitergegeben wird. Und die Geschichte von Kai Havertz’ erster Saison bei Arsenal ist ohne jeden Zweifel legendär.

Es ist die ultimative Redemption-Story. Die Geschichte eines Spielers, der abgeschrieben und verspottet wurde, der aber durch den unerschütterlichen Glauben seines Trainers und die bedingungslose Liebe der Fans wieder zu sich selbst fand und stärker zurückkam als je zuvor. Seine Reise spiegelt die Reise des gesamten Vereins wider: von den Zweifeln und der Unsicherheit hin zu einem selbstbewussten Titelanwärter, der von einer Welle der Einigkeit und des Optimismus getragen wird.

Havertz ist nicht nur ein Spieler, er ist ein Symbol für das “Projekt Arteta”. Er ist der lebende Beweis dafür, dass Vertrauen, Geduld und eine klare taktische Vision selbst die schwierigsten Situationen in triumphalen Erfolg verwandeln können. In diesem Sinne ist die Erzählung seiner ersten Saison bereits jetzt ein fester und unvergesslicher Teil der modernen Vereinsgeschichte.

Fazit: Die Zukunft ist rot und weiß – Was kommt als Nächstes?

Die Verwandlung von Kai Havertz vom Sorgenkind zum Schlüsselspieler ist eine der faszinierendsten Geschichten der Premier-League-Saison 2023/24. Er hat die Kritiker widerlegt, die Herzen der Fans erobert und seine Rolle als unverzichtbarer Bestandteil einer der aufregendsten Mannschaften Europas zementiert.

Seine erste Saison war ein Versprechen. Ein Versprechen darauf, was möglich ist, wenn Talent auf das richtige Umfeld trifft. Nun liegt es an ihm und dem Team, dieses Versprechen in Silberware umzumünzen. Mit Havertz als flexibler, intelligenter und torgefährlicher Anführer im Angriff ist Arsenal für die Jagd auf die Premier League und die Champions League besser gerüstet als seit vielen Jahren.

Der Weg zur allumfassenden Legende, die in einem Atemzug mit Henry und Bergkamp genannt wird, ist noch lang. Aber das Fundament ist gelegt. Die Geschichte seiner ersten Saison wird im Emirates noch lange erzählt werden. Und während der Gesang “Waka waka, eh, eh… Kai Havertz scores again!” durch das Stadion hallt, blickt eine ganze Fangemeinde voller Hoffnung in eine Zukunft, die dank ihres deutschen Maestros strahlend hell erscheint. Der Junge aus Aachen kam als Fragezeichen und wurde in nur zwölf Monaten zu einem riesigen Ausrufezeichen. Und das ist, für sich genommen, schon legendär.

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