Laut mehreren Facebook-Postings produziert der Vulkan Cumbre Vieja auf der Insel La Palma mehr CO2, als Deutschland im nächsten Jahrhundert einsparen will. Die Analogie täuscht. Vulkane stoßen weniger CO2 aus als Menschen, daher verursacht ein einziger Ausbruch deutlich weniger Emissionen, als Deutschland in den kommenden Jahren einsparen will. Der Vulkan auf La Palma produziert derzeit mehr Kohlendioxid (CO2), als Deutschland in den nächsten hundert Jahren an Emissionen einsparen will, heißt es in einem Facebook-Post. Mehr als 2.400 Personen haben mehrere Posts mit dem Vorwurf geteilt (hier und hier). Es geht um den Vulkan Cumbra Vieja, der am 19. September zum ersten Mal seit Jahrzehnten ausbrach und einen Monat später immer noch rumpelt.
Falsch ist folgende Behauptung zum CO2-Ausstoß: Experten schätzen, dass alle Vulkane der Erde nur 200 bis 300 Millionen Tonnen CO2 erzeugen. Deutschland hingegen plant, seine jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 300 Millionen Tonnen zu reduzieren. Es liegen keine Zahlen vor, wie viel CO2 Deutschland im nächsten Jahrhundert einsparen will.
Deutschland wird im Jahr 2020 mehr als 739 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen ausstoßen.
In Deutschland gibt es keine Vorschriften, wie viel CO2 im nächsten Jahrhundert eingespart werden soll. Das Klimaschutzgesetz hat die deutschen Treibhausgas-Minderungsziele bis 2040 verbindlich gemacht. Deutschland will bis 2045 „Treibhausgasneutralität“ erreichen, d. h. keine Treibhausgase mehr emittieren.
Es gibt verschiedene Treibhausgase, aber CO2 ist das bedeutendste. Daher werden die Emissionen oft in CO2-Äquivalenten ausgedrückt.
Das Umweltbundesamt sagte am 3. September auf seiner Website, dass Deutschlands CO2-Äquivalent-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden sollen, was bedeutet, dass Deutschland im Jahr 2030 438 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr produzieren würde. Die Emissionen sollen um 88 Prozent gesenkt werden bis 2040.
Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes lagen die Treibhausgasemissionen Deutschlands im Jahr 2020 noch über 739,49 Millionen Tonnen, 2030 müssten 301 Millionen Tonnen weniger freigesetzt werden als im Jahr 2020. So viel Geld wird in nur 10 Jahren eingespart.
Die CO2-Emissionen der Cumbre Vieja sind laut einem Vulkanologen nur “ein winziger Anteil der menschlichen Leistung”.
Derzeit gibt es keine Daten darüber, wie viel CO2 während des Ausbruchs der Cumbre Vieja freigesetzt wurde. Den Faktencheckern der Nachrichtenagentur AFP erklärte der Vulkanologe Matthias Hort von der Universität Hamburg: Exakte CO2-Messungen in der Atmosphäre in Bezug auf Vulkane sind grundsätzlich eine Herausforderung, da CO2 bereits vorhanden ist und eine genaue Gaszuordnung – zum Beispiel zu den Vulkanausbruch – unmöglich.
Es gibt jedoch viele Studien zu Vulkanen im Allgemeinen. Vulkanausbrüche stoßen einen Bruchteil des CO2 aus, das durch die Treibhausgasemissionen Deutschlands entsteht.
Wir haben einen Experten hinzugezogen: Boris Behncke ist Vulkanologe am italienischen Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV), wo er derzeit den Ätna studiert. Selbst die stärksten Vulkanausbrüche der letzten Jahrzehnte, so der Vulkanologe, hätten nur sehr geringe CO2-Emissionen verursacht. Der Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen beispielsweise hat 1991 50 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt. “Um Größenordnungen kleiner als Pinatubo”, sagt der Vulkan auf La Palma.
Die CO2-Emissionen der Cumbre Vieja seien “sicherlich ein winziger Teil der menschlichen Produktivität”, so Behncke. Nur ein bis drei Prozent des vom Menschen produzierten CO2 würden von allen Vulkanen der Erde ausgestoßen.